Neue EU-Gebäuderichtlinie: Durchbruch für den Klimaschutz oder „kalte Enteignung“ und „Sanierungszwang“?
Das Wichtigste in Kürze
✔ Die EU-Gebäuderichtlinie ist Teil des „Fit for 55“-Pakets der EU. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorgaben bis Frühjahr 2026 umgesetzt haben.
✔ Bei Nichtwohngebäuden kommt eine faktische Sanierungspflicht: Bis 2030 sollen die 16 % und bis 2033 die 26 % der am wenigsten energieeffizienten Gebäude renoviert werden.
✔ Es werden mit den Instrumenten Gesamtenergieeffizienzklassen, Energieausweise und Renovierungspässe europaweit einheitliche Standards für die Sanierung von Gebäuden geschaffen.
✔ Bei Nichtwohngebäuden kommt eine faktische Sanierungspflicht: Bis 2030 sollen die 16 % und bis 2033 die 26 % der am wenigsten energieeffizienten Gebäude renoviert werden.
Die überarbeitete europäische Richtlinie zur Gebäudeenergieeffizienz (EPBD) ist nun beschlossen: Am 12. April 2024 gab der Rat der Europäischen Union seine Zustimmung, die Richtlinie wurde am 8. Mai 2024 veröffentlicht. Neben Mindestvorgaben für die Gesamteffizienz von Nichtwohngebäuden soll auch der Wohnungsbestand schrittweise emissionsfrei werden. Deutschland und alle anderen EU-Mitgliedsstaaten müssen die EU-Sanierungsvorgaben innerhalb von zwei Jahren umsetzen.
Die umfassende Überarbeitung der EPBD, angestoßen durch das Gesetzespaket „Fit for 55“, zielt auf eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden ab. Der Gebäudesektor ist für etwa 40 % der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich und spielt daher eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Bisherige Regelungen überließen die Vorgaben über die Energieeffizienz weitgehend den Mitgliedstaaten, was zu einer Renovierungsrate von nicht einmal 1 % pro Jahr führte. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, muss die Renovierungsrate daher erheblich steigen.
EU-Parlament wollte ursprünglich strenge Sanierungsvorgaben durchsetzen
Dabei hätte es nach dem Willen der Abgeordneten des europäischen Parlaments weit ambitionierte Vorgaben gegeben: Am 14. März 2023 stimmte es für eine Reform der Gebäuderichtlinie (EPBD), die vorsah, dass alle Wohnhäuser bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse „E“ und bis 2033 mindestens die Klasse „D“ erreichen müssen. Ausnahmen waren vorgesehen. Klasse „G“ umfasst die 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude eines Landes, während Klasse „A“ den höchsten Standard darstellt. Kritiker sprachen bereits von „kalter Enteignung“ und „Sanierungszwang“.
Was ändert sich bei Wohngebäuden?
Mit den neuen Renovierungszielen für Wohngebäude erhalten Mitgliedstaaten mehr Spielraum. Laut Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie sollen nationale Zielpfade den Energieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20 bis 22 % senken. Mindestens 55 % dieser Einsparungen müssen durch die Renovierung der energieineffizientesten Gebäude erreicht werden. Trotz der fehlenden Mindesteffizienzvorgabe für Wohngebäude liegt der Fokus darauf, ineffiziente Gebäude zu verbessern. Dies wird schlussendlich dazu führen, dass diejenigen Wohngebäude saniert werden müssen, die die schlechteste Energieeffizienz aufweisen.
Mitgliedstaaten können für bestimmte Gebäudearten Ausnahmen von den MEPS und Renovierungszielen vorsehen, beispielsweise für historische Gebäude, Ferienhäuser, Militärgebäude und Industrieanlagen.
Was sind die neuen ‚Gesamtenergieeffizienzklassen‘?
Um die Richtlinien einheitlich umzusetzen, werden die Gesamtenergieeffizienzklassen in der EU vereinheitlicht. Mitgliedstaaten müssen Energieeffizienzklassen von A bis G einführen, wobei eine optionale Klasse A+ möglich ist. Klasse A ist ausschließlich für Nullemissionsgebäude reserviert, während die Klassen B bis F die restlichen Gebäude gleichmäßig abdecken. Klasse G ist für die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz im nationalen Bestand vorgesehen.
Zusätzlich wurde die Verpflichtung zur Ausstellung von Energieausweisen erweitert. Ein Energieausweis ist nun nicht nur bei Neubauten, Verkäufen oder Vermietungen erforderlich, sondern auch bei Mietvertragsverlängerungen, größeren Renovierungen und für Gebäude, die im Besitz oder Gebrauch öffentlicher Einrichtungen sind.
„Renovierungspass“ – Kommt jetzt der europäische individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP)?
Im Rahmen der EU-Gebäuderichtlinie müssen Mitgliedstaaten ein Schema für Renovierungspässe entwickeln und bereitstellen. Ob die Nutzung der Renovierungspässe verpflichtend ist, liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten. Zudem können sie entscheiden, die Erstellung und Ausgabe der Renovierungspässe mit den Energieausweisen zu kombinieren.
Die Erstellung der Renovierungspässe basiert auf einem Vor-Ort-Besuch von qualifizierten oder zertifizierten Sachverständigen. Während dieses Besuchs erfolgt eine Beratung zur energetischen Renovierung hin zu einem Nullemissionsgebäude. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten ein digitales Tool einführen, das die Erstellung und Aktualisierung der Renovierungspässe erleichtert.
In Deutschland wird diese Vorgabe bereits durch individuelle Sanierungsfahrpläne (iSFP) umgesetzt.
Was ist ein iSFP?
Ein individueller Sanierungsfahrplan (iSFP) ist ein Instrument, das in Deutschland genutzt wird, um Gebäudeeigentümern eine detaillierte und maßgeschneiderte Roadmap für die energetische Sanierung ihrer Immobilien zu bieten. Der iSFP wird von einem qualifizierten Energieberater erstellt und umfasst eine umfassende Bestandsaufnahme des Gebäudes sowie konkrete Handlungsempfehlungen für energieeffiziente Maßnahmen.
- Detaillierte Analyse: Eine umfassende Bestandsaufnahme des aktuellen energetischen Zustands des Gebäudes.
- Maßgeschneiderte Empfehlungen: Konkrete Vorschläge für energieeffiziente Sanierungsmaßnahmen, die schrittweise umgesetzt werden können.
- Zeitplan: Ein realistischer Zeitrahmen für die Durchführung der empfohlenen Maßnahmen.
- Kosten-Nutzen-Analyse: Informationen über die Investitionskosten und die zu erwartenden Einsparungen durch die Sanierungsmaßnahmen.
- Beratung durch Experten: Erstellung und Beratung erfolgen durch qualifizierte Energieberater, die das Gebäude vor Ort inspizieren.
Ein iSFP bzw. Renovierungspass bietet folgende Vorteile:
- Transparenz: Eigentümer erhalten einen klaren Überblick über den Zustand ihres Gebäudes und die notwendigen Schritte zur energetischen Sanierung.
- Planungssicherheit: Der iSFP bietet eine langfristige Planungsperspektive, wodurch Eigentümer die Maßnahmen nach ihren finanziellen Möglichkeiten umsetzen können.
- Fördermöglichkeiten: In den allermeisten Fällen können durch den iSFP Fördermittel und Zuschüsse für die energetische Sanierung in Anspruch genommen werden.
Der iSFP ist somit ein wertvolles Werkzeug, um die Energieeffizienz von Gebäuden systematisch und effektiv zu verbessern, und spielt wird somit eine wichtige Rolle in der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie in Deutschland spielen.
Was ändert sich für Nichtwohngebäude?
Zu den wichtigsten Neuerungen der EU-Gebäuderichtlinie gehört die Einführung von Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz (Minimum Energy Performance Standards, MEPS). Diese Standards gelten nun ausschließlich für Nicht-Wohngebäude. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die MEPS als maximalen Primär- oder Endenergieverbrauch festlegen, der bis 2030 bzw. 2033 von allen Nicht-Wohngebäuden erreicht werden muss. Die MEPS sollen sicherstellen, dass bis 2030 die 16 % und bis 2033 die 26 % der am wenigsten energieeffizienten Gebäude renoviert werden.
Mitgliedstaaten können Ausnahmen für Gebäude vorsehen, wenn ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis oder andere Härtefälle vorliegen.
Dies bedeutet, dass eine De-facto-Sanierungspflicht für Nicht-Wohngebäude besteht, der von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Falls Sie selbst Eigentümer oder Nutzer eines Nichtwohngebäudes sind, sollten Sie daher prüfen, ob Sie von den Sanierungsvorgaben betroffen sind.
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